
Quelle: Südkurier, Online-Artikel vom 06.08.2025 von Hannah Schedler
Schutz und Respekt im Miteinander: Wie ein Verein in Donaueschingen Mitglieder in die Pflicht nimmt
Mit einem umfassenden Konzept will die DJK Donaueschingen ein klares Signal für Prävention gegen sexuelle und verbale Übergriffe, für Achtsamkeit und Verantwortung im Sportverein setzen – und damit Kinder schützen.
Der Vereinssport hat im Alltag vieler Menschen einen festen Platz – sei es durch das regelmäßige Training oder durch das soziale Miteinander, das über den Sport hinaus Gemeinschaft stiftet. Damit dieses Zusammenkommen sicher, vertrauensvoll und frei von Angst stattfinden kann, hat sich die DJK Donaueschingen entschlossen, ein Präventionsschutzkonzept zum Thema sexualisierte Gewalt zu entwickeln und umzusetzen.
„Uns war von Anfang an klar: Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, trägt Verantwortung – und diese Verantwortung muss man sichtbar und verbindlich gestalten“, sagt Sabrina Kurth, die das Konzept innerhalb des Vereins neben Yvonne Rottweiler maßgeblich initiiert und begleitet hat. Sie betont: „Wir wollen nach außen zeigen, dass wir bereit sind, genau hinzusehen, Haltung zu zeigen und Strukturen zu schaffen, die schützen.“
Im Zentrum des Konzepts steht ein umfassender Verhaltenscodex, dem sich alle Übungsleitenden verpflichten. Dieser formuliert verbindliche Standards für respektvolles Miteinander, klare Grenzen und den Umgang mit Verdachtsmomenten.
Der Kodex ist dabei mehr als ein Regelwerk – er steht sinnbildlich für eine Kultur der Achtsamkeit, der Offenheit und des Vertrauens. Die erste Schulung wurde mit zwölf Teilnehmenden bereits erfolgreich absolviert. Im November folgt die nächste. Darüber hinaus wurden Informationsmaterialien erstellt, Gespräche geführt, Strukturen reflektiert.
„Wir wollen keine Symbolmaßnahmen, sondern eine lebendige, verlässliche Praxis, die sich im Vereinsalltag wiederfindet“, betont Kurth. Die Sensibilisierung für Alltagsbeobachtungen sei dabei ein zentraler Bestandteil: „Es geht darum, aufmerksam zu sein. Oft sind es kleine Signale, und es braucht ein geschultes Auge – und ein offenes Ohr.“
Der Verein versteht sich nicht nur als Sportstätte, sondern auch als Ort der Begegnung, der Gemeinschaft – und des Vertrauens. „Wir wollen ein sicherer Raum sein, in dem sich alle aufgehoben fühlen dürfen – ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene“, sagt Kurth.
Das Schutzkonzept sei kein Reagieren auf einen Vorfall, sondern eine bewusste Entscheidung zur Prävention. „Zum Glück mussten wir bislang keinen akuten Fall erleben.“
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: „Die offiziellen Statistiken sind erschreckend – und die Dunkelziffer liegt noch weit darüber“, sagt Kurth. „Sexualisierte Gewalt ist kein Randthema – und sie macht leider auch vor Sportvereinen nicht halt.“ Besonders gravierend sei, dass viele Täter aus dem direkten Umfeld der Betroffenen stammten – aus dem Familienkreis, aus der Schule, aus dem Verein.
Dabei denkt Kurth auch an Formen von Gewalt, die nicht immer körperlich sind: „Verbale Übergriffe, digitale Grenzverletzungen – das sind Formen, die zunehmen. Gewalt beginnt dort, wo sich Menschen unwohl fühlen. Es geht um Respekt, um Grenzen, um Schutz. Und um unsere gemeinsame Verantwortung, diese ernst zu nehmen.“
Die DJK Donaueschingen sieht sich mit dem Schutzkonzept in einer Vorreiterrolle in der Region. „Natürlich war der Weg dorthin aufwendig – mit Planungen, Bürokratie, Schulungsentwicklung. Aber dieser Aufwand ist kein Argument gegen Prävention“, betont Kurth.
Ein Schutzkonzept allein sei kein Garant für Sicherheit – aber ein erster, notwendiger Schritt. Der Verein wolle mit gutem Beispiel vorangehen – und ermutigen, Verantwortung nicht zu delegieren, sondern zu übernehmen. „Wir vertrauen unseren Trainerinnen und Trainern Kinder an. Dieses Vertrauen verpflichtet. Es braucht Schutzräume – nicht nur im Sport, sondern auch im Tun.“
„Der Schutz vor sexualisierter Gewalt geht uns alle an“, mahnt Kerstin Claus, unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie betont die Verantwortung aller Erwachsenen.
Besonders der Sport bietet Kindern wichtige Entwicklungsräume. Doch gerade dort entstehen enge Vertrauensverhältnisse, die auch missbraucht werden können. Claus unterstreicht: „Erst wenn wir anerkennen, dass sexualisierte Gewalt auch im eigenen Umfeld geschehen kann, erkennen wir, dass Kinder in unserer Nähe auf Schutz angewiesen sind.“
Vereine, die klare Schutzkonzepte umsetzen, senden ein wichtiges Signal: „Nur wenn Kinder spüren, dass sie Unangenehmes ansprechen dürfen, kann ein Verein für sie ein Schutzort sein.“
